Als ich vor vielen Jahren das ersten Mal den Begriff Scanner-Persönlichkeit hörte, dachte ich bei mir: „Wieder so ein neumodischer Kram. Muss das sein? Müssen denn alle Menschen in irgendwelche Schubladen gesteckt werden? Ich stand gerade in der Buchhandlung und blätterte durch ein Buch von Barbara Sher in dem eben dieser Begriff auftauchte. Ich stellte es wieder zurück. Allein diese technische Bezeichnung „Scanner“ gefiel mir nicht und für kurzlebige Trends hatte ich sowieso keine Zeit.
Wie verkehrt ich mit dieser schnellen Bewertung lag und wie sehr es mir hätte helfen können, habe ich (leider) erst sehr viel später verstanden. Ich hätte mir so manchen Umweg und viele Frustrationen sparen können.
Und bevor Du den selben Fehler machst wie ich, schau doch mal, was es mit der Scanner-Persönlichkeit wirklich auf sich hat.
Gehörst Du auch zu den hoffnungslos wissbegierigen Menschen? Vielleicht bist Du ja auch eine Scanner-Persönlichkeit.
Wer war Barbara Sher überhaupt
Was viele nicht wissen, Barbara Sher (1935 bis 2020) war eine US-amerikanischer Karierre-Beraterin. Während ihrer Arbeit mit ihren Clienten gewann sie den Eindruck, dass es einen bestimmten Schlag Menschen zu geben schien, der sich nicht auf einen Karierre-Pfad festlegen konnte oder wollte. Sie hatte große Symphatie für diese Menschen, denn viele Gedanken die diese Menschen bewegte, kamen ihr sehr vertraut vor.
Der Begriff Scanner-Persönlichkeit
Was diese Menschen gemeinsam hatten waren ihr wacher, beweglicher Geist und die Liebe zum Lernen. 1979 schrieb Barbara Sher In ihrem ersten Fachartikel über ihre Beobachtungen. Dabei verwendete sie den Begriff „Scanner“ und meinte damit folgendes:
Menschen deren zentraler Wesenszug es ist „den Horizont immer wieder abzusuchen nach neuen Lern-Möglichkeiten.“
Alter Wein in neuen Schläuchen?
Dabei war es eigentlich nichts Neues wovon Barbara Sher in ihrem Fachartikel berichtete. Denn auch schon vorher gab es im Deutschen die Begriffe Multi-Talent, Generalist, Tausendsassa oder auch Querdenker. Übrigens: Bis vor einigen Jahren war der Begriff des Querdenkers noch positiv besetzt. Man meinte damit Menschen die die Fähigkeit besaßen unkonventionell zu denken und auf neue Lösungen zu kommen. Eine Fähigkeit die durchaus geschätzt wurde.
Es ist also kein wissenschaftlich anerkannter Begriff und es gibt auch kein Forschungsfeld dazu.
Barbara Sher jedoch brachte diese vielseitig interessierten Menschen jedoch unter einen Hut und beschrieb sie mit folgenden Merkmalen:
Merkmale von Scannern
Scanner-Persönlichkeiten haben viele Interessen. Diese Interessen sind auch sehr unterschiedlich und scheinen überhaupt keine Verbindung zueinander zu haben. Von A wie Aktienanalyse bis Z wie Zen-Buddhismus, von Bogenschießen bis Quantenphysik sind ihre Interessensgebiete außerdordentlich breit gefächert und es kommen immer neue Interessen dazu. Dabei geht es nicht nur um faktisches Wissen, sondern umfasst auch neue Erkenntnisse, neue Eindrücke, neue Erfahrungen.
Scanner-Persönlichkeiten lieben es zu lernen. Das können sie gut und in der Regel haben sie eine schnelle Auffassungsgabe. Daher entwickeln sie sich häufig zum Autodikakten. Das ermöglicht es ihnen in ihrem Tempo und auf ihre Art zu lernen. Sie nehmen die neue Lernerfahrung auf wie die Bienen den Honig. Irgendwann jedoch ist jedes Honigfass gefüllt, oder anders ausgedrückt: Jede Lernkurve flacht irgendwann ab. Viele Menschen sind darüber froh und bleiben bei dem Thema bei dem KnowHow und Erfahrung aufgebaut haben.
Für Scanner ist das jedoch der Zeitpunkt wo sie sich neuen Themen zuwenden. Nun könnte Jemand einwenden, dass man auch in seinem Themengebiet bleiben kann und dort Neues hinzu lernen kann. Das stimmt natürlich, aber da kommen wir zum nächsten Merkmal von Scannern:
Tatsächlich lieben Scanner die Abwechslung. Sie lieben es, wenn die Themengebiete weit auseinander liegen. Gerade dieser Kontrast reizt sie besonders. Sie lieben es Neues im Wechsel zu lernen, weil sie so ihren Geist wach halten. Das ist in etwas so wie sportliche Menschen sich gerne bewegen. Oder Menschen mit einem Gesangstalent gerne singen. Sie können nicht anders. Es ist ihre Natur.
Langeweile können sie nur schwer ertragen. Allerdings passiert es ihnen nur selten, dass sie sich wirklich langweilen. Sie sehen ständig neue Dinge und Themenfelder denen sie sich widmen.
Wer ist kein Scanner?
Scanner-Persönlichkeiten, die keine sind:
Einige Menschen vermuten, dass sie Scanner-Persönlichkeiten sind, tatsächlich ist es aber nicht die Neugier und die Liebe zum Lernen, sondern sie haben ihr Spezialgebiet einfach noch nicht gefunden. In der Regel liegt es daran, dass sie sich noch nicht die Erlaubnis gegeben haben, das zu tun was sie eigentlich im tiefsten Inneren schon immer tun wollten.
Wer zum Beispiel Künstler werden wollte, aber von klein auf gelernt hat, dass nur eine „richtige“ Ausbildung, ein „ordentliches“ Studium als Beruf akzeptabel ist, hat seinen Traum bis zur Ausbildung möglicherweise zur Seite geschoben, oder sogar schon vergessen, um den Eltern zu gefallen. Dann kann es passieren, dass der Scanner von Beruf zu Beruf, von Job zu Job hüpft immer auf der Suche nach seiner Erfüllung.
Spezialisten
Spezialisten sind offensichtlich keine Scanner-Persönlichkeiten. Wenn Spezialisten ihr Themengebiet gefunden haben, dann gehen sie darin auf und tauchen tief ein in diesen Bereich. Diese Menschen haben vielleicht auch ein oder zwei andere Interesensgebiete oder Hobbys bei dem sie sich entspannen, aber sie haben ein Spezialgebiet und bleiben dabei.
Depressive
Einige Depressive kommen zu dem Schluss, dass ihr fahriges hin und her gehüpfe zwischen den Themen auf eine Scanner-Persönlichkeit hindeutet. Meistens ist es jedoch so, dass sie sich nicht gut konzentrieren können und deshalb nicht bei der Sache bleiben können. Scanner-Persönlichkeiten können sich jedoch sehr gut konzentrieren.
Wie es auf Nicht-Scanner wirkt
Für Menschen die nicht wissen, dass sie eine Scanner-Persönlichkeit vor sich haben, wirkt es so, als würden Scanner alles haben wollen, so wie ein kleines Kind alles aus dem Quengelregal an der Supermarktkasse haben will.
Oder sie kommen zu dem Schluss, dass die sogenannten Scanner nur dem nächsten „Shiny Object“ hinterher jagen.
Manch einer bewertet das Scanner-Verhalten auch als oberflächlich oder dilettantisch. Man muss sich doch nur mal für eine Sache entscheiden, denken sie. Und mit einem freundlichen Klaps auf die Schulter fügen sie hinzu: „Das ist doch nicht so schwer. Alle anderen können das doch auch.“
Das Problem der Scanner-Persönlichkeiten
Damit beginnt das Problem der Scanner. Sie erfahren durch ihre Umwelt, dass ihre Art zu denken, offensichtlich nicht in Ordung ist. Als Kind wurde oftmals noch wohlwollend darüber hinweg gesehen, dass es alle paar Wochen oder Monate ein neues Hobby oder Interessensgebiet verfolgte. Die allermeisten Kinder tun das. Doch bei den vielen Scannern beginnen die Probleme, wenn es darum geht sich für einen Beruf, eine Ausbildung oder Studium und damit für einen bestimmten Lebensweg zu entscheiden.
Der Gedanke, dass sie sich für sehr lange Zeit auf eine Sache festlegen sollen, ist für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Denn es würde ja bedeuten zu vielen anderen Themen nein sagen zu müssen. Themen die sie ebenfalls interessant finden und die sie ebenfalls weiter verfolgen möchten.
Unbewusst spüren sie, dass sie sich damit die Luft zum Atmen nehmen. Scanner müssen einfach viele Dinge ausprobieren. Es ist Teil ihrer Natur.
Daher ist es auch überhaupt nicht hilfreich, wenn sie aus ihrem Umfeld hören, dass sie sich für eine Sache entscheiden sollen. Sie können es nicht, weil es ihnen so vorkommt, als würde man von ihnen verlangen sich einen Arm abzuschneiden.
Aber natürlich sehen sie auch wie es in dieser Gesellschaft läuft und passen sich entsprechend an, wählen einen Beruf und versuchen das Beste daraus zu machen.
Das ist übrigens auch der Grund weswegen Scanner-Persönlichkeiten sich einander oft nicht erkennen. Sie haben sich an ihr Umfeld angepasst und so sind sie dann oft für andere Generalisten nicht mehr zu entdecken. Was sehr schade ist, denn jedes Mal wenn ich einige Scanner zusammenbringe, entsteht eine besondere, vertrauensvolle und humorvolle Runde.
Vielleicht haben sie sogar das Glück in einem Berufsumfeld tätig zu sein in dem sie ihre Vielseitigkeit nutzen können.
Warum ist es wichtig zu wissen, ob man ein Scanner ist?
Es gibt Vermutungen, dass wenigstens zwei Drittel der Menschen keine Scanner-Persönlichkeiten sind. Barbara Sher sprach davon, dass sie sehr selten sind und es ihrer Schätzung nach die Zahl wohl eher bei 10% liegt.
Dieser Umstand hat ein paar Konsequenzen. Die erfolgreichsten Methoden und Tools und Apps für Produktivität, Zeitmanagement und Planung sind für die Mehrheit der Menschen gemacht. Deswegen sind sie ja so erfolgreich. Generalisten stellen eine Minderheit dar und wenn Du als solche nach Lösungen für Dich bei den bekannten und weit verbreiteten Methoden suchst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Du an der falschen Stelle suchst, einfach weil die Methoden und Konzepte für Dich nicht gemacht sind.
Wenn Du aber nicht weißt, dass Du ein Scanner bist und Dich an den anderen in Deinem Umfeld orientierst, ist das in etwa so, wie die Fliege die immer wieder gegen das Fenster fliegt und nicht verstehen kann, dass es da nicht raus geht. Aua!
„Sie sind nicht dafür geschaffen, sich auf ein Interesse festzulegen, und das müssen sie auch nicht! Sie sind nämlich ein völlig anderes Geschöpf.“ (Barbara Sher)
Was bedeutet das jetzt für Dich?
Mehr als jeder Andere brauchen wir Scanner-Persönlichkeiten ein Konzept unser Selbstmanagement welches unsere Bedürfnisse berücksichtigt. Das sind Methoden und Tools für folgende Bereiche:
Selbstreflexion
damit Du Dir und Deinen speziellen Features auf die Spur kommst und aufs Beste für Dich nutzen kannst
Zeitmanagement
eine Methode und ein Tool das Deine vielen Interessen Beachtung schenkt
Ideenmanagement
Du hast viele Ideen und Du findest sie auch gut. Daher ist es eine gute Sache sie auch an zentraler Stelle aufzuschreiben. Behalte sie nicht einfach nur im Kopf. Das Arbeitsgedächtnis hat nur eine sehr begrenzte Arbeitskapazität und ist mit zu vielen Ideen zu schnell überfordert, wie Du vieleicht schon gemerkt hast.
Profi-Tipp von mir: persönliches Knowledge Management
Du bist kein unbeschriebenes Blatt mehr und hast soviel schon gelernt und Erfahrungen gesammelt. Hast Du Dein Wissen immer griffbereit? Nein? Wäre es nicht großartig, wenn Du auf eine persönliche Wissensdatenbank zurückgreifen könntest, die Dein Wissen wiederspiegelt und wie ein zweites Gedächtnis funktionieren würde?